Festplatten und Künstler
Wir müssen, zumindest sollten, aufhören, in Quartalsgeilheit in Zahlen zu denken.
Es mag schon sein, dass die Weltwirtschaft in Quartalen denkt.
Kunst sollte es nicht.
Ein schlecht besuchter Kinofilm ist noch lange nicht schlecht.
Ein wenig beachtetes Buch, das in keinster Weise in irgendwelchen Bestseller-Listen auftaucht, verdient oft mehr Beachtung.
Ein Song, der nicht an die Millionen an YouTube-Clicks heranreicht, ist dennoch hörenswert.
Wir als Konsumenten dürfen nicht den Fehler machen, zu früh zu urteilen.
Künstler haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, auf etwas hinzuweisen, was noch gar nicht so richtig da ist. Finger in Wunden zu legen, die noch nicht verheilt sind, oder noch gar nicht geschlagen wurden.
Wir als Konsumenten nehmen zu schnell zu viel als selbstverständlich. Das ist aber ein Fehler. In der Phase der Vision ist der Künstler immer am einsamsten. Niemand versteht ihn, das Geld ist weg (oder war nie da) und arbeiten muss er auch noch ständig.
In der Phase des Erfolgs wird er gefeiert, der Künstler. Er steht da und tut schön in die Kamera schauen und lächelt nett.
Wenn wir ohne Künstler wollen, dann müssen wir das als Gesellschaft zugeben.
Aber eine Gesellschaft ohne Künstler heißt auch letztlich ein leeres Kino, ein leerer Konzertsaal, ein leeres Leben. Es sind die Künstler, die uns unser Leben versüßt haben beim ersten unsicheren Versuch, als im HIntergrund ein guter Song lief oder der Film gerade perfekt war. Es sind die Künstler, die uns zu Tränen treiben, obwohl wir gerade keine Probleme haben.
Wir als Konsumenten müssen lernen, dass Künstler nicht die sind, die immer nur herumspinnen und in Interviews Blödsinn erzählen.
Es sind die Künstler, die unser Leben hinterfragen, während wir gerade wieder ins Büro fahren.
Es sind die Künstler, die uns darauf hinweisen, dass es auch im April noch Schnee geben kann.
Wir dürfen nicht vergessen, wie wichtig die Kunst für uns alle ist. Wer von uns hat nicht mindestens einen Song, bei dem er nicht sentimental wird?
Die Förderung für Künstler wird immer nebulös und ungewiss bleiben.
Es wird sich dem Konsumenten selten erschliessen, wofür er eigentlich zahlt, wenn er für Kunst zahlt.
Ein Schnitzel kann man essen. Kunst nicht.
Und die Festplatte, die funktioniert auch nicht immer.
Eitelkeiten
Ich war einmal etwas, das man gut und gerne als Karrierist bezeichnen könnte. Als jemand, der "es geschafft hat".
Mir war das immer zuwider. Ich wollte immer etwas bewegen.
Das Geld ist super, wenn man es hat. Man vermisst es, wenn man es nicht mehr hat. Aber es tut auch nicht weh, wenn es einen nicht mehr drückt.
Ich bin schwerstens fasziniert von einem 70-jährigen Oscar-Gewinner, der nichts anderes im Kopf hat, als sein aktuelles Projekt. Ich halte das nicht für Koketterie.
Der Oscar ist das Beiwerk für ein gelungenes Künstlerleben.
Wir, die wir heute, hier und jetzt das tun, was wir tun, sind das von morgen.
Wir dürfen nicht klein beigeben, uns entmutigen lassen, uns selbst in die Hüfte beissen.
Wenn es schöner wäre als es ist, würden wir zueinander stehen.
Wir würden AllStar-Alben recorden von Typen, die noch nicht alle kennen können und so stolz sein darauf, dass wir im Leben, am Leben und mittendrin sind.
Ich scheiss auf jede Karriere, wenn ich erkennen kann, dass es endlich wieder Sinn macht, österreicheichische, aktuelle Kunst auf höchsten Podest stellen zu wollen.
Ich sehe die Hoffnung. Und es ist nicht nur der viel zu viel zitierte Falco. Es ist das, was jetzt und hier passiert. Wir brodeln, wir sind gut gut gut, viel besser als viele viele viele. Wir verdienen Anerkennung. Wir müssen endlich aufhören, uns selber kleiner zu machen, als wir sind.
Und die Politik, der Gesetzgeber, die Interessenvertreter, die Lobbiyisten und auch die Schleimer müssen endlich einsehen: Es bringt ganz ganz viel, wenn man in die investiert, die unangenehm, unkommerziell, unangepasst und vielleicht auch verrückt (im besten Sinn des Wortes!) sind.
Wir müssen jetzt und sofort zu alter Stärke zurückkehren. Kultur ist der Nährboden für unsere Seelen. Wir dürfen das nie verkommen lassen.
Eitelkeiten, persönliche Interessen, Machtspielereien oder sonstwas hat hier nichts verloren.
Haneke zeigt den Weg durch Disziplin, Können und Dranbleiben. Waltz tut das ebenso. Wir Künstler sind jetzt gefragt.
Aber vielmehr noch die Politik.
DO IT! NOW!
New York
Ich muss wieder mal nach New York.
Den vielen hektischen Menschen zusehen, wie sie wohin gehen.
Die Kleinheiten vergessen, das Größere geniessen.
Morgen schon werde ich dort sein.
Immer in der Hoffnung vergraben.
Das Fliegen wird mir Spass machen.
Und einen Hut werde ich tragen.
Ich muss wieder mal nach New York.
So sehr hab ich mich gesehnt danach, nach allem, was war
Den Mensch an sich wieder neu betrachten
Heute schon sollte ich dort sein
Die Hoffnung im Magen
Das Fliegen wird mir Spass machen
Und einen Hut werde ich tragen
Buki
Es ist über drei Jahre her.
Mein Hund starb.
Ich hab damals einen Text für ihn geschrieben.
Es war mir zu kitschig, um es zu veröffentlichen.
Jetzt wieder an meinen alten, treuen Buki gedacht (wie jeden Tag).
Und nur weil er kein Mensch war, sollte ich nicht über ihn trauern können?, frag ich mich.
Ich trauere und teile.
("Buki" kommt von Charles Bukowski, der seine Briefe gerne mit dem Kürzel "Buk" unterschrieb.)
Hier der Text von damals:
Dieser harte, kalte Winter
hat einen Vorteil. Vielleicht mehrere.
Aber der eine ist dieser:
Ich kann meinen toten Hund Buki täglich anschauen. Da liegt er dann da in
seiner Hütte, tiefgefroren vor lauter Dauerfrost, steif und so was von leblos,
und auf jeden Fall jeden Tag einmal schlage ich die Decke, die auf seiner
Hundehütte liegt, um ihn zu wärmen, was er jetzt wohl nicht mehr braucht, auf,
und sage zu ihm: Hallo. Ich mache dann drei Kreuze. Und meine damit auch mich.
Ich war nie ein grosser Fan von Hundefanatikern. Ich hasse es geradezu, wenn
Hunde Menschenwege zuscheissen und verfucken. Es ist meist unerträglich, zu
beobachten, wie manche mit Tieren umgehen. Ein Hund ist ein Tier, daran gilt es
nicht zu rütteln. Mir war das immer bewusst. Aber lebendig war er mir dann
sowas von viel lieber als tot. Diese tiefen Bande zwischen Hund und Mensch,
zwischen Tier und Mensch also, könnten uns vielleicht irgendwann einmal weiser
machen. Sag ich halt einmal so.
Ich habe schon Tiere
getötet und werde das künftig auch weiterhin tun. Ich werde sie essen und es
geniessen.
Hier meine Notiz, die ich
kurz nach meines Hundes Tod schrieb:
Er ist immer
zurückgekommen.
Auch als er vor Monaten
seinen letzten längeren Ausflug nach Böhmen gemacht hat. Letztlich hat er uns damit
eine schöne Bekanntschaft mit den Wirtsleuten in Perslak/Bärnschlag beschert.
Damals wollte er gar nicht mehr mit mir nachhause, so sehr hatten sie ihn dort
mit Waldviertler Wurst verwöhnt.
Vor vielen Jahren, als
ich mit Freunden bei der Mizzi Lanner Wand übernachtete, ist er während wir
schliefen irgendeiner Fährte gefolgt und war dann für 3 Tage abgängig. Ein
netter Herr fand ihn völlig abgemagert und erschöpft in Richtung Meidling. Er
und ich wohnten damals dort. Er
war nachhause unterwegs, keine Frage.
15 Jahre ist eine lange
Zeit.
Die Erinnerungen
prasseln auf mich herein, es scheint mir fast, dass er mit mir im Kindergarten
war.
Es war in irgendeinem
Zug in Frankreich, als ich eine ältere Frau mit einem Schosshund beobachtete und mir dachte: Genau so
einen muss ich haben.
Wenig später sah ich
einen Altwarenhändler in Fünfhaus, der ein ähnliches Hundeexemplar auf seinem
Schreibtisch sitzen hatte und wurde in meiner Annahme bestätigt, dass es nur
eine Art von Haustier geben kann.
Dass er nie apportieren
lernte, lag wohl auch an mir. Aber wir waren trotzdem sehr viel spazieren, wir
zwei.
Ich kann mich noch gut
an den letzten Spaziergang am Kalenderberg in der Brühl erinnern, als er noch
fit war. Inmitten dieser kleinen Wanderung fiel es mir das erste Mal auf, dass
er nicht mehr gut hörte. Er verlor sich völlig abseits des Weges und ich ihn
fast.
Ja, ich war böse.
Jetzt scheint es mir,
als wäre er das einzige Lebewesen gewesen, dass mir meine Jähzornigkeiten so
gar nie übel genommen hat.
Sein Gekeife hingegen
ist mir immer wieder ungemein auf die Nerven gegangen.
Ich hätte ihn öfter
baden sollen. Oder ihm wenigstens so ordentlich übers Fell streichen, wie ich
es mit unseren Katzen täglich tue.
15 Jahre ist eine sehr
lange Zeit.
Und kein einziges Mal
durfte er schnackseln. Wenigstens das hätte ich ihm gönnen sollen.
Die letzten Monate
konnte man mit ihm nicht einmal mehr Gassi gehen. Kirsten nahm ihn letztens mit
beim Zeitung-Holen am Sonntag. Die Nachbarn amüsierten sich köstlich beim
Anblick dieser Minihundeverschleppungsaktion.
Er hatte sein ganzes
langes Leben lang guten Appetitt. Er hat bis zuletzt brav gefressen, manchmal
sogar wie ein Grosser.
Auch Bier hat er getrunken,
allerdings viel weniger als sein Herrl.
Unter anderem auch
deswegen ist er gar so alt geworden.
Dass er es so lange mit
mir ausgehalten hat, liegt wohl sicher daran, dass er mein Hund war.
Ich habe nichts
dazugelernt. Apportieren kann auch ich noch immer nicht.
Ich habe einen überaus
treuen Gefährten verloren.
Der Schmerz sitzt
tiefer als ich je vermutet hätte.
15 Jahre sind eine
lange Zeit.
Lebensqualität
Nein, man muss nicht immer zahlen dafür.
Es gibt Qualitäten im Leben, die kostenlos sind.
Ein Spaziergang am Stankauer Teich etwa, oder im Wienerwald. Oder sonstwo.
Es gibt auch Qualitäten im Leben, die man gar nicht käuflich erwerben kann. Wir alle wissen das. (Stichwort: Gesundheit, Liebe, Sonnenschein).
Aber es gibt eben auch Qualitäten im Leben, deren Qualität dadurch unterstützt, gefestigt und vielleicht sogar verbessert wird, indem man bewusst und gerne bereit ist, dafür zu bezahlen. Geld zu bezahlen. Ausreichend und angemessen Geld zu bezahlen.
Fleisch gehört dazu.
Musik aber auch.
Wer immer nur nach dem billigsten Fleisch(fertiggericht) auf der Suche ist, darf sich nicht wundern, dass er früher oder später Pferde- statt Rindfleisch (in- oder exklusive Tiermedikamente) auf seinem Teller vorfinden wird.
Wer nur billiges Fleisch kauft, darf sich nicht wundern, dass er/sie damit die Lebensmittelkonzerne unterstützt und somit die EU weiterhin die Agrarindustrie unterstützen wird und die Kleinbauern in diesem beinharten Wettbewerb nicht mehr mithalten können und daher weiterhin aussterben.
Wer nicht bereit ist, zumindest einen kleinen Beitrag für Musik aus dem Internet (Stichwort:
Festplattenabgabe) zu bezahlen, darf sich nicht wundern, dass viele kreative Menschen eben keinerlei Existenz auf ihrer schöpferischen Begabung aufbauen können und daher schlicht und einfach aus dem kreativen Wertschöpfungskreislauf verschwinden werden. Also auch aussterben.
Sollte die Mehrheit der Musikkonsumenten schon so weit sein, dass ihnen Musik wirklich nicht mehr genug wert ist, um dafür auch (ein wenig) Geld zu bezahlen?
Eine ganze Generation ist mittlerweile herangewachsen, die es geradezu als uncool empfindet, für Musik zu zahlen.
Es mutet zynisch an: Genau der Konsument, der sich so gerne als mündig umworben sieht, tappt immer wieder in dieselbe Falle:
Seinerzeit liess er sich billig CD's verkaufen, um sich in die heiligen Hallen gewisser Großhandelsketten treiben zu lassen, und jetzt rennt er auch noch dem billigen Fleisch nach, um dann doch noch 5 - 10 weitere Artikel im Einkaufswagerl vorzufinden, die nicht auf seinem Einkaufszettel standen.
Und dann beschwert sich genau dieser Konsument, dass er nicht das Fleisch kriegt, das er gekauft hat - und dass er - um Gottes willen! - für Musik auch noch zahlen soll!
Der gesunde, vielbeworbene "
Hausverstand" muss einem doch sagen, dass billig nicht immer gut ist. Ja, natürlich!, die die es sich leisten können, zahlen auch 20 Euro für ein Kilo guten Biofleisches.
Die zahlen aber auch hunderte Euro für ein Ticket von einem Top-Live-Act ihrer Wahl.
Die, die es sich nicht so gut leisten können, gehen zum Diskonter und zahlen EURO 2,99 fürs Kilo Schweinefleisch in Aktion. - Und für Musik: gar nichts.
Und die, die es sich leisten könnten, zahlen für Musik aus dem Internet meist auch: gar nichts.
Ich für meinen Teil mache es mir ganz einfach: Sowohl Fleisch, als auch Musik erzeuge ich mir selber.
ABER: Ich weiß, was was wert ist, und genau deswegen zahle ich auch sehr gerne Geld für die Musik der anderen und auch sehr gerne für das Fleisch von anderen Produzenten. Da wird nicht herumgefeilscht. Da wird nur konsumiert, dafür auf höchstem Niveau.
Und wenn ich mir den billigen Wurstaufschnitt vom Diskonter meiner Wahl kaufe, dann immer im Wissen, dass darin auch Fleisch enthalten sein könnte, das meinen persönlichen Qualitätskriterien nicht entspricht.