Donnerstag, Juli 26, 2018

Erich Krapfenbacher


Lieber Erich,

ich tu einfach so, als würdest Du noch leben, obwohl ich weiß, dass das so nicht ist.
Die ganze Heulerei und Nachdenkerei bringt ja auch nichts. Und nachdem Du die letzten langen Jahre unfassbar gelitten hast, war es für Dich hoffentlich eine Erlösung.

Offensichtlich warst Du wichtig für viele Menschen. Hast ihnen Chancen gegeben, Wege ermöglicht, Abzweigungen gezeigt, Verirrungen verhindert, Hinweise gegeben, geführt, gelassen beobachtet, Musik gehört und verstanden.
Als Nicht-Musiker Musik zu verstehen ist anders. Es ist kindlicher, natürlicher, entspannter. Du hast das behalten und verinnerlicht und nie aufgegeben, darin weiter zu forschen. Diese Forschung war wichtig für alle, die andere Dinge gemacht haben. Du hast Ihnen gezeigt, dass sie sich informieren müssen. Information war wichtig für dich. Du hast es geliebt, informiert zu sein, lange bevor es so leicht wurde, wie es jetzt ist. Ist es leicht?

Du hast Musik als Wunder verstanden. Als etwas, das andere können und Du gerne hörst. Eine permanente Offenbarung, ein ewiges Lernen. Und dann kamen die ganzen wunderbaren Magazine und Bücher, die ich alle gelesen und aufgehoben habe. Auf meinem Häusl liegen noch immer UNCUT und MOJO MAGAZINE aus dem Jahr 2008. Da kann man Stories und Interviews auch dreimal lesen, von einem auch schon nicht mehr so lebendigen Lenny Cohen zB.

Ich bin ja völlig unbedarft in dieses dumme Musikbusiness getorkelt. Ich wollte ja nur meine Schulden abbezahlen und dann wieder Musiker sein. Nur das Leben ist anders. Als Chef warst Du mir imposant, aber ziemlich unsympathisch. Du warst auf der Höhe Deines Erfolges und hast Dich mit Schmeichlern umgeben. Man konnte auch noch richtig Geld machen damals und mit EMI Austria hast Du vorgezeigt, wie das geht. Dort hab ich gelernt, richtig gelernt. Da hast Du alles richtig gemacht. Vielleicht bist Du manchmal zu sehr in die Arroganz abgeglitten, aber wenn man Dich näher kennt, weiß man, dass das Launen sind. Waren.

Deine erste volle Aufmerksamkeit erlangte ich erst, als ich gekündigt hatte. Das Angebot von UNIVERSAL war viel zu gut. Du warst nicht mein Mentor. Das waren andere.

Dass wir uns dann Jahre später wieder treffen und eine sehr bedeutsame Partnerschaft mit BUNTSPECHT eingehen, war und ist legendär. Dass wir grandios scheiterten ebenso. Dieses Scheitern hat Dir tiefe Wunden geschlagen, ich weiß das und es tut mir leid. Ich habe versucht, Dir zu erklären, dass das überhaupt kein Thema sein sollte, dass sich die Zeiten geändert haben, dass wir unser Möglichstes versucht haben, dass wir immer ehrenhaft und redlich gehandelt haben, dass wir gute Musik ermöglicht haben. Das alles hast Du verstanden, aber Erfolglosigkeit war für Dich ebenso wenig eine Kategorie wie die Dankbarkeit der anderen.

Man wird leicht zerrieben zwischen den Mächten, die man nicht beeinflussen kann. Du würdest Dich nie als Idealisten bezeichnen, da wäre der Manager in Dir dagegen. Aber Du warst es ein Leben lang. So souverän, wie Du Dich im Geschäftsleben bewegt hast, das beeindruckt mich noch immer. Dein „Management by walk-around“ war nachhaltig. Und äusserst effektiv.

Zurückblickend ist es eine Unmöglichkeit, dass wir gemeinsam BUNTSPECHT gemacht haben. Nein, lieber Freund, es war keine Dummheit. Es war eine Herzensangelegenheit. Something to be done.

Diese wunderbar entspannten „Meetings“ bei mir in der göttlichen Brühl oder bei einem schönen gemeinsamen Essen, die Autofahrten, wo man sich auch besprechen kann, oder nur Musik hört, das war alles sehr fruchtbar.
Nicht zu vergessen diese kleine feine Tour mit KEMPF als Vorgruppe von Annette Louisan (richtig geschrieben? – scheiss drauf…), wo Du Chauffeur, Roadie und Tourmanager in Personalunion warst, und das perfekt und glücklich. What a great time!

Du wusstest immer, dass Du nicht lange leben wirst. Ich glaube, Dein 50er hat Dich selber überrascht.
Was kann man einem schwerkranken Menschen als Hoffnung geben?
Aber Du hast alles mit bewundernswerter Contenance ertragen. Ich könnte das sicher nicht.

Als ich/wir schwere Zeiten hatten, warst Du immer zur Stelle. Dabei ging es Dir damals gar nicht mehr gut.
Ich werde das mein Leben lang nicht vergessen.

Was bleibt?
Die Erinnerung an einen der besten Menschen, den ich je kennengelernt habe.
Eine Perfektion, die durchaus mit Fehlern ausgestattet war, aber nie dumm, grob oder sinnlos.

Ich kannte Dich nie, lieber Erich. Aber ich habe Dich lieben gelernt. Und in meinem Herzen wirst Du immer sein.

Chris Gelbmann