Erich Krapfenbacher
Lieber Erich,
ich tu einfach so, als würdest Du noch leben, obwohl ich
weiß, dass das so nicht ist.
Die ganze Heulerei und Nachdenkerei bringt ja auch nichts.
Und nachdem Du die letzten langen Jahre unfassbar gelitten hast, war es für
Dich hoffentlich eine Erlösung.
Offensichtlich warst Du wichtig für viele Menschen. Hast
ihnen Chancen gegeben, Wege ermöglicht, Abzweigungen gezeigt, Verirrungen
verhindert, Hinweise gegeben, geführt, gelassen beobachtet, Musik gehört und
verstanden.
Als Nicht-Musiker Musik zu verstehen ist anders. Es ist
kindlicher, natürlicher, entspannter. Du hast das behalten und verinnerlicht
und nie aufgegeben, darin weiter zu forschen. Diese Forschung war wichtig für
alle, die andere Dinge gemacht haben. Du hast Ihnen gezeigt, dass sie sich
informieren müssen. Information war wichtig für dich. Du hast es geliebt,
informiert zu sein, lange bevor es so leicht wurde, wie es jetzt ist. Ist es
leicht?
Du hast Musik als Wunder verstanden. Als etwas, das andere
können und Du gerne hörst. Eine permanente Offenbarung, ein ewiges Lernen. Und
dann kamen die ganzen wunderbaren Magazine und Bücher, die ich alle gelesen und
aufgehoben habe. Auf meinem Häusl liegen noch immer UNCUT und MOJO MAGAZINE aus
dem Jahr 2008. Da kann man Stories und Interviews auch dreimal lesen, von einem
auch schon nicht mehr so lebendigen Lenny Cohen zB.
Ich bin ja völlig unbedarft in dieses dumme Musikbusiness
getorkelt. Ich wollte ja nur meine Schulden abbezahlen und dann wieder Musiker
sein. Nur das Leben ist anders. Als Chef warst Du mir imposant, aber ziemlich
unsympathisch. Du warst auf der Höhe Deines Erfolges und hast Dich mit
Schmeichlern umgeben. Man konnte auch noch richtig Geld machen damals und mit
EMI Austria hast Du vorgezeigt, wie das geht. Dort hab ich gelernt, richtig
gelernt. Da hast Du alles richtig gemacht. Vielleicht bist Du manchmal zu sehr
in die Arroganz abgeglitten, aber wenn man Dich näher kennt, weiß man, dass das
Launen sind. Waren.
Deine erste volle Aufmerksamkeit erlangte ich erst, als ich
gekündigt hatte. Das Angebot von UNIVERSAL war viel zu gut. Du warst nicht mein
Mentor. Das waren andere.
Dass wir uns dann Jahre später wieder treffen und eine sehr
bedeutsame Partnerschaft mit BUNTSPECHT eingehen, war und ist legendär. Dass
wir grandios scheiterten ebenso. Dieses Scheitern hat Dir tiefe Wunden
geschlagen, ich weiß das und es tut mir leid. Ich habe versucht, Dir zu
erklären, dass das überhaupt kein Thema sein sollte, dass sich die Zeiten
geändert haben, dass wir unser Möglichstes versucht haben, dass wir immer
ehrenhaft und redlich gehandelt haben, dass wir gute Musik ermöglicht haben. Das
alles hast Du verstanden, aber Erfolglosigkeit war für Dich ebenso wenig eine
Kategorie wie die Dankbarkeit der anderen.
Man wird leicht zerrieben zwischen den Mächten, die man
nicht beeinflussen kann. Du würdest Dich nie als Idealisten bezeichnen, da wäre
der Manager in Dir dagegen. Aber Du warst es ein Leben lang. So souverän, wie
Du Dich im Geschäftsleben bewegt hast, das beeindruckt mich noch immer. Dein
„Management by walk-around“ war nachhaltig. Und äusserst effektiv.
Zurückblickend ist es eine Unmöglichkeit, dass wir gemeinsam
BUNTSPECHT gemacht haben. Nein, lieber Freund, es war keine Dummheit. Es war
eine Herzensangelegenheit. Something to be done.
Diese wunderbar entspannten „Meetings“ bei mir in der
göttlichen Brühl oder bei einem schönen gemeinsamen Essen, die Autofahrten, wo
man sich auch besprechen kann, oder nur Musik hört, das war alles sehr
fruchtbar.
Nicht zu vergessen diese kleine feine Tour mit KEMPF als
Vorgruppe von Annette Louisan (richtig geschrieben? – scheiss drauf…), wo Du
Chauffeur, Roadie und Tourmanager in Personalunion warst, und das perfekt und
glücklich. What a great time!
Du wusstest immer, dass Du nicht lange leben wirst. Ich
glaube, Dein 50er hat Dich selber überrascht.
Was kann man einem schwerkranken Menschen als Hoffnung
geben?
Aber Du hast alles mit bewundernswerter Contenance ertragen.
Ich könnte das sicher nicht.
Als ich/wir schwere Zeiten hatten, warst Du immer zur
Stelle. Dabei ging es Dir damals gar nicht mehr gut.
Ich werde das mein Leben lang nicht vergessen.
Was bleibt?
Die Erinnerung an einen der besten Menschen, den ich je
kennengelernt habe.
Eine Perfektion, die durchaus mit Fehlern ausgestattet war,
aber nie dumm, grob oder sinnlos.
Ich kannte Dich nie, lieber Erich. Aber ich habe Dich lieben
gelernt. Und in meinem Herzen wirst Du immer sein.
Chris Gelbmann
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