Mittwoch, Mai 13, 2009

DIE HOFFNUNG STIRBT ZULETZT. Aber sie stirbt.

Der Billa-Chef in Litschau ist ein feiner Kerl. Man geht gerne einkaufen
dorthin, wird immer freundlich gegrüsst, immer gut bedient und wenn er gerade in der Nähe ist, hilft er Dir auch sehr gerne, die Bierkiste ins Wagerl zu hieven oder plaudert kurz mit Dir. Vor ein paar Monaten trafen wir den Reinhard beim Wirtn. Nach ein paar Bieren (ich Bier, er nicht, er ist Abstinenzler) hab ich ihm meine neue CD "Songster" geschenkt und der gute Kerl ist sofort in sein Auto gegangen und hat sie sich von vorne bis hinten angehört (weil der CD-Player beim Wirtn nicht funktionierte), kam dann zurück und war ganz begeistert von meiner Musik, ehrlich begeistert. Seitdem grüsst er uns noch freundlicher, wenn wir wieder mal bei ihm einkaufen gehen. In letzter Zeit sehen wir ihn nicht mehr so oft, weil der Billa ja doch nicht ganz so billig ist. Als Einkaufsprofi, der ich schon längst bin, weiss ich sehr genau, wo man was einkaufen muss, um das Haushaltsbudget nicht übermässig zu beanspruchen.
Dennoch achten wir darauf, immer wieder zum Reinhard einkaufen zu gehen, weil er einfach ein feiner Kerl ist.
Und ich gebe zu, dass ich auch einen kleinen Hintergedanken hab: Vielleicht, wenn alle Stricke reissen, hat er ja einen kleinen Job für mich... Immer öfter denke ich nämlich an die Möglichkeit, mir durch Regale-Einschlichten oder Leergut-Schleppen ein paar Euro dazuzuverdienen. Und für einen Chef wie ihn zu arbeiten, würde ich nicht als demütigend empfinden.
Es ist nicht sarkastisch gemeint, wenn ich schreibe, dass mir das Mut macht.
Mit meiner Musik die paar hundert EURO verdienen zu können, die ich zu unserem Haushaltsbudget beisteuern sollte, hab ich mir nämlich mittlerweile abgeschminkt.
Ebenso viel Hoffnung und Mut wie der feine Billa-Chef aus Litschau machen
mir unsere Schafe: Sie haben nun schon 2 Lämmchen gesund und munter auf die Welt gebracht und wer schon mal erlebt hat, wie schnell die Kleinen wachsen, kommt aus dem Staunen kaum raus. Das Gemüse ist angepflanzt und die Enten, Hühner und Kaninchen vermehren sich auch, dass es eine reine Freude ist. In wenigen Wochen geht es an die erste Heu-Ernte und wenn sich das Wetter weiter so prächtig entwickelt, steht uns überhaupt ein gutes Ernte-Jahr bevor. Alles Gründe zur Freude und zur Hoffnung. Viel Arbeit, ja, aber das stört mich in keinster Weise.
Ich würde auch gerne auf gute Ernte in Bezug auf meine Musik hoffen können. Wie schön das doch wäre. Aber da stehen die Vorzeichen sehr viel schlechter.
Gestern hab ich mit einem Freund telefoniert und er war wahrlich erstaunt, dass ich nicht schon mehr als ein "Geheimtipp" bin, denn aus den Kritiken und Rezensionen über meine Musikveröffentlichungen würde er schliessen, dass sich mit meiner Musik mein super-sparsames Leben, wenn schon nicht finanzieren, so zumindest subventionieren liesse. Weit gefehlt. Ich musste ihm erklären, dass mich all das viel mehr Geld gekostet hat, als es eingebracht hat.
Bitte, nicht falsch verstehen - deshalb gleich deutlich zur Klarstellung:
Ich weiss sehr sehr gut, wieviel (besser gesagt: wie wenig) man in diesem Land mit Musik - und damit meine ich alle Einkommens-Quellen, die es gibt - verdienen kann. Ich kenne AKM-, LSG-, AuMe-, Label-, Konzert-, Lizenz- und sonstige Abrechnungen in- und auswendig. Been there, done that. Und ich weiss, dass es durchaus möglich ist, in Österreich von der Musik zu leben, ohne sich prostituieren zu müssen und natürlich auch, ohne reich zu werden. Aber es ist möglich. Es ist möglich, wenn man einen Mix aus Genügsamkeit, Medienunterstützung und Konzertaktivitäten verbunden mit Eigenverkauf von CD's und sonstigem Merchandising zustande bringt. Es muss dieser Mix sein, an dem kein Element fehlen darf, weil sich die einzelnen Faktoren gegenseitig befruchten können müssen. Ein Beispiel: Wer ein bisschen Airplay und gleichzeitig auch Live-Aktivitäten hat, verdient an Urheberrechts-Tantiemen (so man Anspruch auf Urheberrechte hat) gleich auch am Kuchen der sog. "mechan. Rechte" mehr. Für "Normalverdiener" sind diese Summen allesamt "peanuts", für Lebenskünstler wie mich sind das durchaus respektable Beträge. Und das ist nur ein Beispiel. Wer den Mix aus Airplay, Live, Selbstvermarktung und Minimarketing hinkriegt, der hat eine realistische Chance, ein Einkommen zu generieren, das zwar noch immer unter der Armutsgrenze rangiert, aber einem Menschen wie mir ein - wie ich finde - feines Leben ermöglicht. Und somit auch weiteren kreativen Output fördert. Und somit weitere Wertschöpfungen ermöglicht und somit auch die Kreativwirtschaft, klein aber fein, mitankurbelt.
Aber all das ist gegen den Wind gesprochen bzw. geschrieben, all das stösst auf taube Ohren seitens der Entscheidungsträger. Es gibt nun mal nicht nur schwarz oder weiss, arm oder reich, erfolgreich oder nicht erfolgreich, es gibt nun mal nicht nur Powerplay oder Ignoranz. Es gibt eine ganze Menge Nuancen dazwischen.
Nein, wir Kreativen haben keinen automatischen Anspruch auf Erfolg. Und Anerkennung, Wertschätzung und Geliebt-Werden kann man nicht erzwingen. Und Feinde muss man sich verdienen.
Die Problem- und Fragestellung ist aber eine völlig andere: Was passiert mit der derzeit agierenden Generation hochkreativer Pop-Musiker und Musikmacher aus und in Österreich, zu der ich mich auch zähle, wenn weiterhin von Seiten der allermeisten Radio- und TV-Sender, aber auch von Seiten der meisten Fördergeber, derart lieb- und respektlos mit ihr umgegangen wird? Was ist uns als Musikland (ja, auch ich muss diesen Ausdruck jetzt strapazieren) diese Kreativ-Generation wert und wie sehr wollen wir, dass all das prosperieren kann?
Und jetzt werde ich polemisch, warum auch nicht?: Wenn Lehrer zwei Stunden länger im Klassenzimmer stehen sollen, sorgt das für grösste Diskussionen, Kontroversen - und Berichterstattung in allen Medien.
Wenn grossartige Musiker in diesem Land aufgeben müssen, ermüden, weinen, lamentieren und auf absolut nachvollziehbaren Gründen mehr Öffentlichkeit für ihr Werk fordern - dann sorgt das auch für eine gewisse Berichterstattung, aber auch für Unverständnis und durchaus fragwürdige Argumentationen.
Diese hochkreative Musiker-Generation, die sich derzeit sehr würdig und kräftig zu Wort meldet, die hat es verdient, dass man stolz und selbstbewusst in sie investiert, dass man stolz und selbstbewusst auf sie aufmerksam macht, mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen.
Warum ist das alles ein Kampf gegeneinander? Warum ist das nicht ein
gemeinsames, kreatives Ringen miteinander?
Ich, Chris Gelbmann, bin - und das ist durch meinen Lebensweg ganz einfach zu beweisen - zu sehr vielen Zugeständnissen bereit. Ich verzichte gerne auf Geld, Macht und Einfluss, um als Künstler leben zu können. Es ist meine freie Entscheidung, wie ich mein Leben lebe.
Aber ich plädiere klar und deutlich dafür, dass es nicht die Entscheidung einzelner sein darf, wer in diesem Land gehört werden darf und wer nicht, wer erlebt werden darf und wer nicht. Es muss Schluss sein mit diesen Feigenblatt-Aktionen und politischen Versteckspielen. Es steht hier eine kreative Generation auf dem Spiel und sehr wohl auch eine potenziell prosperierende Zukunft der Popmusik aus Österreich, die dann in Folge auch exportiert werden könnte, wenn sie hier endlich einmal anständig Gehör finden könnte. Es geht hier um Visionen über eine Zukunft, die es ermöglichen könnte, Popmusik aus Österreich zu einem veritablen Wirtschafstfaktor in absehbarer Zeit anwachsen zu lassen. So viele kreative und wirtschaftliche Kräfte waren in diesem Land auf diesem Gebiet und für dieses Anliegen noch nie gebündelt. Wenn diese Chance vertan wird, ist diesem Land diesbezüglich für mindestens eine Dekade nicht mehr zu helfen.
Nicht missverstehen, bitte: Wenn ich muss, und er mich lässt, gehe ich gerne zum Reinhard, dem feinen Billa-Chef in Litschau, hackeln. Und ich bin mir keineswegs zu gut dafür, meine Ställe selbst auszumisten.
Aber lieber tät ich mich mit dem über Wasser halten, was ich noch viel besser kann:
Musik machen.