Mittwoch, August 21, 2013

12 Stunden

Es geht mir nicht mehr aus dem Kopf:

Hat doch tatsächlich ein Politiker nach dem 12-Stunden-Arbeitstag gerufen. Noch dazu der mir gar nicht unsympathische Mitterlehner.
Da lehnt sich aber jemand weit aus der Mitte heraus.

Wäre doch gar nichts einzuwenden gegen 12-Stunden-Arbeitstage. Haben doch viele. Sicher.
Es gibt gar nichts einzuwenden gegen 12 Stunden Arbeit. Wenn mann das will. Wenn man das kann. Wenn man das hat und haben will. Wenn man das nicht muss.
Als ehemaliger all-inkl-Manager mit gutem Vertrag hat mich das nie gestört.
Als Arbeiter würde mich das schon stören.
Und es wird beschwichtigt: Es soll sich jeder Betrieb mit seinen MitarbeiterInnen ausmachen, Betriebsvereinbarung und so.

Das schau ich mir an: Eine Arbeiterin, ein Arbeiter, der/die in einer strukturarmen Region einen Job angeboten bekommt und aufgrund einer 12-Stunden-Arbeitszeit-Betriebsvereinbarung den Job nicht annimmt. Hahaha.
Ich würde gerne wissen, wieviele Stunden ihres Lebens diese Herren Politiker, die sowas fordern, in wirklich harten Jobs verbracht haben, wenigstens 8 Stunden am Stück gehackelt und geschwitzt, um jeden Cent gerungen und um jede Arbeitsminute gekämpft.
Ich würde gerne wissen, woher diese Herren Politiker die Arroganz nehmen, von ihren vermeintlichen Wählern zu verlangen, sie sollten das, was sie nie getan haben und nie tun würden, mit einer Selbstverständlichkeit machen, als ob ebendiese vermeintlichen Wähler Leibeigene wären.
Und ich kenne nicht nur einen Mitmenschen persönlich, der schon jetzt öfter mehr als 12 Stunden pro Tag arbeitet. Arbeiter, Schweisser, Giesser, Hackler.
Und was ist mit all den unbezahlten Überstunden? Einen all-inkl-Manager kümmern die nicht. Einen einfachen Arbeiter aber sehr wohl.
Und dann stellt man sich hin, mitten im Wahlkampf, und fordert, geifernd nach Anerkennung der sogenannten Wirtschaftstreibenden, dass das auch noch gesetzlich ermöglicht werden soll, was schon seit vielen Jahren - illegale - Realität ist.
Es ist ein Unterschied, ob man sich mit den Wirtschaftsbossen und Mächtigen des Landes per Du unterhält, oder ob man den eigenen Stall ausmistet.
Ich schau mir das an, wie sich ein Nebenerwerbsbauer fühlt, der von seinem Arbeitgeber vorgeschrieben bekommt, er soll jetzt 12 Stunden am Stück hackeln - aufgrund der tollen Auftragslage des tollen Betriebes und Arbeitgebers - während seine Heuernte verregnet wird.
Ich denke auch an eine alleinerziehende Mutter, die dann halt 12 Stunden am Stück im Einzelhandelsgeschäft ihres Arbeitgebers arbeiten muss, während sie checken muss, wo ihr Kind bleiben soll - denn wenn nicht, verliert sie ihren Job.
Ist das das Angebot einer bürgerlichen, christlich-sozialen Partei?

Es ist gar nichts falsches dabei, Arbeitsplätze zu schaffen und unternehmerisch tätig zu sein. Aber es bedarf auch der Leute, die diese Arbeitsplätze ausfüllen. Menschen, die das gerne und gut machen. Und wenn man denen die Rute ins Fenster stellt und sagt, ihr müsst - wenn der Chef das will - auch 12 Stunden durchhackeln, dann frage ich mich, was sind das für Unternehmer, was sind das für Chefs, was sind das für Politiker?
Anstatt über Arbeitszeiten zu reden, sollte man über Bildung, Ausbildung, Talenteförderung, rechtzeitige Talente-Erkennung, Anreizsysteme, lustvolle Neugierde, etc. reden. Aber bitte nicht darüber, wie man es schaffen kann, den durchschnittlichen Arbeiter zu noch mehr Leibeigenschaft zu verdonnern.
Aber dafür entdecken ja jetzt die Sozialdemokraten ihre plötzliche Liebe für die sogenannten "EPU". Das, was wie ein Virus klingt, heißt lediglich "Einzelpersonenunternehmen", und dass sich um die nie jemand gekümmert hat, verwundert einen ehemaligen "EPU" wie mich nicht. Die waren und sind doch so und so ganz angenehme Typen: Sie scheinen in keiner Arbeitslosenstatistik auf und allzu viele Arbeitsplätze können sie nicht gefährden, weil sie kaum welche bieten. Die "EPU" sind also quasi superangenehme Mitbürger, weil sie nämlich nicht einmal vom Sozialbudget schnorren und bei ihrer Krankenversicherung auch noch einen Selbstbehalt zu berappen haben. Aber wenn dann die Wahlen vor der Tür stehen, dann findet sich sicher immer irgendeine Partei, die plötzlich meint, man müsse diese ominösen EPU unbedingt unterstützen. - Um dann in der nächsten Regierungsperiode wieder den großen Konzernen und parteikonformen KMU die Förderungen am Silbertablett zu präsentieren.

Zurück zu den 12 Stunden: Mir ist das scheissegal, wieviel ein Abgeordneter, ein Minister, ein Kanzler, ein Staatssekretär, ein Sekretär des Staatssekretärs, ein Sektionschef, ein Sekretär des Sektionschefs oder ein mittlerer Manager arbeitet. 12 Stunden, 24 Stunden am Tag - mir egal - die kriegen alle genug Geld. Kein Mitleid.

Aber die Arbeiterin, der Arbeiter, die schwitzende Masse, denen ist das nicht egal. Und denen ist auch wurscht, ob da gerade ein großer Auftrag reingekommen ist, wenn sie vom Management beschissen behandelt werden.
Wer den 12-Stunden-Arbeitstag von allen verlangt, der soll einmal 12 Stunden am Stück die Strassen kehren. Erst dann reden wir weiter.