Mittwoch, Juli 18, 2007

Ich bin mittendrin.

"Wer Visionen hat, sollte lieber gleich zum Arzt gehen.", sagte doch einst Helmut Schmidt.
Wer so viel raucht, wie er, geht sicher nicht gerne zum Arzt, denke ich mir. Aber Respekt: So sehr in Würde altern, möchte ich auch mal.

Wohl muss man sein Zitat auch aus der Historie und aus den damaligen Anforderungen an die Politik heraus sehen. Pragmatismus war wahrscheinlich nicht das schlechteste Rezept. Damals.

Darauf wollte ich aber eigentlich gar nicht hinaus.

Eigentlich wollte ich über den Musikfonds schreiben, den österreichischen. Hier scheint es auch eine gewisse Diskrepanz zwischen Pragmatismus und dem Mut zu Visionen zu geben. Da hat man sich scheinbar wieder mal zu früh zu wenig aus dem Fenster gelehnt.

Bei einer Jury-Entscheidung über Förderungswürdigkeit kann es nicht ohne Kritik abgehen. Das muss man dann schon aushalten. In einer Art gelebter Demokratie, wie ich sie mir vorstelle (pfui - wieder so eine Vision...) wäre ja Kritik geradezu ein lustvoll aufgegriffener Anstoß für mögliche Verbesserungen.

Stattdessen ist man sich sogar zu gut, eine Begründung für eine Ablehnung anzuführen. Was u.a. die Vermutung nahelegt, daß es keine Begründung gibt, sondern lediglich eine Entscheidung.

Zum Pragmatischen:

- Wer heutzutage nur die Produktion von Content (um es mal ganz neutral auszudrücken) fördert, hat die Zeichen der Zeit mißverstanden.
(Und wer jetzt anführen mag, daß der Musikfonds ja auch Live-Konzerte fördert, dem kann ich entgegenhalten: Nur diejenigen, deren Produktion bereits gefördert wurde, sind zugelassen für die Live-Förderung.)

- Wer heutzutage eine Jury über die Vergabe von Förderungen entscheiden lässt, sollte für größtmögliche Transparenz sorgen.

- Wer Richtlinien erstellt, sollte sie selbst auch einhalten und nicht dann abändern, wenn es gerade subjektiv sinnvoll erscheint.

- Wer österr. Popmusik fördern will, sollte sich dessen bewusst sein, daß mit jeder erfolgreichen Fördermaßnahme auch Präzedenzfälle geschaffen werden, die dann Politiker gerne als Feigenblätter benützen.

- Wer den österr. Kulturpolitikern erfolgreich verkauft, wie billig es ist, österr. Popmusik zu fördern, hat nie ein größeres Ziel gehabt.

Zum Visionären:

- Infrastrukturen müssen gefördert werden, nicht Produkte.

- Netzwerke müssen entstehen, nicht Cliquen.

- Fördernehmer müssen sich zu konkreten Maßnahmen verpflichten, und nicht Jurys über Ja oder Nein entscheiden.

- Wertschöpfungsketten müssen zu 100% im Inland bleiben.

- Erfolgreiches Erzeugen von Nachhaltigkeit verlangt die Fähigkeit, mit komplexen Umständen umgehen zu lernen. Alles andere ist kurzfristig und daher aus dem Fenster geschmissenes Geld.

- Wer Druck von aussen spürt, hat ihn nach innen noch nicht abgelassen.

Warum ich mich über all das so ereifere?
Ich bin mittendrin...