Donnerstag, Juni 29, 2006

Karim's

Ich schreibe zur Zeit an einem Buch, seit Jahren eigentlich schon. An mehreren Büchern. Beim Buchprojekt "Karim's" geht zur Zeit am meisten weiter.
Für alle, die es interessiert, hier ein kleiner Ausschnitt. Für alle, die es nicht interessiert, bitte nicht weiterlesen:


.......


Das ständige Flirren der Stimmen und als ob es tausende Städte, Nächte und Tage ineinander wären, die sich gossenhaft untereinander giessen. Und wenn man Augen und Ohren schloss, wurde man der eigenen Verwirrung nicht Meister. Die Düfte und Gestänke rührten die Nase von innen nach aussen. Es roch nach allem, was man nicht kannte und ein wenig nach vielem, was man kannte, aber noch nie auf diese Art.
Franco war noch nie so verloren frei. Das Fernweh hatte einer großen Angst Platz gemacht, die er sehr genoß. Er wusste nicht, wo er anfange sollte, er konnte sich nicht einmal entscheiden, wo er seinen verschlissenen, geradezu antiquen Koffer abstellen sollte, um kurz in die Sonne zu blinzeln. Es war das erste Mal, daß er sich betäuben wollte. Hätte er gewusst, wie man es besorgt oder zubereitet, und ob man das hier überhaupt bekommt und darf, dann hätte er es gemacht. Was auch immer.
Er stand da, sein Koffer in einer Lacke aus Urin und lehmigem Schlamm und blinzelte in die Sonne.



Es war ein sich ständiges Entschuldigen und er konnte nicht sagen wofür. Wohl bei sich selbst, um etwas zu finden, was ihm wieder Ruhe bringen konnte. Aber da war nichts.
Er war nun schon stundenlang mit seinem Koffer unterwegs, viel zu warm angezogen, in Schuhen, die nicht für längeres Gehen gemacht waren. Wofür waren die überhaupt gemacht? Fürs Fliegen? Es war ihm nicht möglich gewesen, sich in irgendeine Art von Lokal zu setzen oder sich an einem der Straßenstände etwas zu essen zu kaufen. Er taumelte und torkelte ohne zu fallen. Wohl beobachtete er so gut es ging, was um ihn herum vorging, was und wie die Leute sprachen, so weit er es verstehen konnte, wie sie sich verhielten und er versuchte zu erahnen, ob es gefährlich war, wo er sich gerade aufhielt. Wobei das ja egal war ? er hielt sich ja nirgendwo lange auf, ging immer weiter, stapfte durch eine immense Stadt, die einer zusammengewachsenen Ansammlung von Dörfern glich, die ständig über sich herfallen. Wenn etwas gefährlich war, dann zu lange stehenzubleiben. Er war hungrig.



?Du solltest Dich aufs Fallen konzentrieren?? dachte er, noch immer dahinstapfend, Koffer-tragend, mittlerweile zweifelnd, ob überhaupt irgendetwas irgendwie funktionieren könnte, wie er sich das in seiner kleinen feinen, ungetrübten Welt erträumt hatte. Erträumt. Herbeigesehnt. Eine ewige Sehnsucht mit einer kleinen Reise in die große Ferne bekämpfen zu wollen, erschien ihm plötzlich so verwegen, so sehr verwegen, daß er Gefallen daran fand und zu kämpfen aufhörte, mehr hinhörte, was um ihn herum geschah. All das Gemurmel und Gebrabbel, der Eintopf von Sprachen durchzogen mit unverständlichen Alltagsweisheiten. Eine grandiose Welle Glücks bahnte sich an, duftend, Jasmin konnte er ausmachen, und dann verschwand wieder alles in einem Gesamten von Kuhflade bis Moschus.
Und mittendrin entschied er, keine Angst mehr zu haben. Er erinnerte sich wieder an seine Mutter, er kam heim von der Schule, sie saß am Computer, um eine ihrer Artikel, die sie nicht wirklich interessierten, fertigzuschreiben, sah über ihre Schulter und grüßte, das Lächeln in Konzentration vermummt: ?Hallo, mein Lieber. Wie war Dein Tag??
?Der ist ja noch nicht vorbei. Gottseidank.?
Sie tippte weiter, wieder mitten in ihrer Arbeit versunken, um sie fertigzubringen.
Später kam sie dann zu ihm in die Küche und streichelte seine Hand: ?Was ist noch nicht vorbei??
?Mama, ich will dort nicht mehr hin. Ich will zuhause bleiben. Ich mag es nicht dort.?
?Ich weiss.?
?Warum tust Du nichts dagegen??
?Hör mir zu: Du musst da durch. Es muss sein. Es sind nur ein paar Jahre und die musst Du durchstehen. Ich helfe Dir, wo immer ich kann, aber das ist ein Teil von unserem Leben: Wir müssen Dinge tun, die wir nicht tun wollen und vor denen wir Angst haben.?
?Ich habe keine Angst. Ich will einfach nicht mehr dorthin.?
?Gut, wenn Du keine Angst hast. Angst ist der schlechteste Ratgeber.?
Er verstand nicht, dachte sich: Die spinnt. Solche Weisheiten brauch ich jetzt sicher nicht.
Selten rauchte sie zuhause. Diesmal schon.



Er schaffte es, sich ein Zimmer zu nehmen. Müdigkeit macht auch mutig. Vorher fragte er noch nach etwas zu trinken. Er begann zu trinken. Es schmeckt nicht und tat gut.

1 Comments:

At 03 Juli, 2006 12:42, Anonymous Anonym said...

wie geht's weiter, woher kommt der? bin gespannt...

 

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